Morgen, gestern und vorgestern #2 : TOS - Einmal um die Sonne und zurück.

Im Laufe ihrer Karriere ist die Mannschaft rund um Captain Kirk, Mister Spock und Doctor McCoy mehrmals in die Zeit zurückgereist. Die TOS-Autoren haben somit den Grundstein gelegt für zukünftige Geschichte. Wie haben sie sich damals die Zeit vorgestellt? Determiniert, dynamisch oder multiversell? Wurden die Geschichten untereinander logisch und konsequent erzählt? 


Tomorrow is yesterday.


Produktionstechnisch erfolgte der erste Ausflug in die Vergangenheit in der Episode Tomorrow is yesterday, auf deutsch Morgen ist gestern. Nach einem Zwischenfall in der Nähe eines schwarzen Sterns gelangt die Enterprise auf die Erde der 1960er Jahre. Direkt bei ihrer Ankunft wird sie von den Radaren der US Air Force erfasst, die umgehend Düsenflieger zur Interception schickt. Als der Traktorstrahl des Raumschiffs die Maschine des Captain Christopher zerstört, wird der Pilot an Bord gebeamt, allerdings ohne Rückkehrmöglichkeit. 


It is possible, that he change what must be. And if it is changed, Captain, you and I, and all that we know, might not even exist.

— Spock


Somit wird etabliert, dass Star Trek entlang eine dynamische Zeitachse verläuft. Änderungen in der Vergangenheit wirken sich auf die Zukunft aus. Der ursprüngliche Verlauf der Ereignisse wird gelöscht und durch einen anderen ersetzt. Allerdings wird dem Zuschauer hier nah gebracht, dass nicht alle Geschehnisse gleichwertig sind. Laut Spock sei Christophers Tribut zur Geschichte nicht relevant genug, um die Zeitlinie zu beschädigen, sollte er von heute auf morgen von der Bildfläche verschwinden. 


Die Situation verschlimmert sich, als es dem ersten Offizier der Enterprise einfällt, dass er mögliche Nachfahren bei seiner Google-Suche hätte miteinbeziehen sollen. Tatsächlich soll Christophers un geborener Sohn die erste Mission zu Saturn leiten. Damit stehen Kirk und seine Mannschaft vor einem Dilemma, dessen einzige Lösung der berüchtigte Reset-Button ist. Spock kommt zu dem Schluss, dass die Enterprise durch den sog. Schleudereffekt durch die Zeit reisen kann. Sie nutzen die Schwerkraft der Sonne, indem sie mit hoher Geschwindigkeit um sie herum fliegen. Dabei wird die Zeit zunächst zurückgedreht, sodass sie ihren Passagier in dem Moment zurück beamen können, als er entführt wurde. 


Logically, as we move faster and faster toward the sun, we‘ll beginn to move backwards in time. We‘ll actually go back beyond yesterday, beyond the point when we first appeared in the sky. Then, breaking free will shoot us forward in time, and we’ll transport you back at a point, before any of this happened. You won’t have anything to remember because it never would have happened.

— Spock


Diese Theorie scheint ein bisschen weit hergeholt, dennoch wurde sie so etabliert und wird mehrmals wiederholt.



The City on the Edge of Forever





Einige Folgen später trifft die Crew auf dem Hüter der Ewigkeit, ein mächtiges Artefakt, das ein verwirrter Doktor McCoy auf die Erde der 1930er-Jahre schickt. Kurz darauf verschwindet die Enterprise aus dem Orbit. Der Schiffsarzt muss die Vergangenheit so beeinflusst haben, dass es nie zur Gründung der Sternenflotte und der Föderation gekommen ist. Kirk und Spock bleibt nichts anderes übrig, als hinterher zu springen, um den Schaden zu reparieren, der McCoy anrichtet. Nachdem sie einen Computer aus Glühbirne gebastelt haben, finden sie schließlich die Varianz: Edith Keeler, in der Kirk gerade dabei ist, sich zu verlieben. In der ursprünglichen Zeitlinie stirbt sie bei einem Verkehrsunfall. Kirk muss sich entscheiden: die Zukunft oder Edith Keeler. Er kann nicht beide retten. Letztendlich siegt sein Pflichtgefühl gegenüber der Sternenflotte. Er lässt zu, dass sie ums Leben kommt, woraufhin der Hüter der Ewigkeit die drei Zeitreisende zurückbringt.


In dieser Folge wird erneut von einer dynamischen Zeitachse ausgegangen. Der Zeitreisende, in diesem Fall McCoy, verändert die Zukunft durch seine Anwesenheit. Es ist aber nicht auszuschließen, dass beide Timelines parallel zueinander verlaufen. In seinen Aufzeichnungen findet Spock sowohl die Nachricht von Edith Keelers Tod als auch das, was passiert, sollte sie überleben. Dementsprechend könnte es sich um ein Multiversum handeln. Zugegeben, der Hüter der Ewigkeit betont, dass alles was war, nun weg ist. 


Your vessel, your beginning, all that you knew is gone.

— Der Hüter der Ewigkeit.


Diese Aussage lässt verschiedene Interpretationen zu. Seit Discovery wissen wir, dass der Hüter der Ewigkeit in der Lage ist, Paralleluniversen zu verbinden. Es ist möglich, dass aus McCoys Handeln eine alternative Zeitlinie entsprungen ist. In diesem Fall muss der Hüter der Ewigkeit das Außenteam auf dem Planeten in dieses Paralleluniversum transportiert haben. Das würde zumindest erklären, warum das Team um Kirk noch da ist, während es die Enterprise und die Föderation nie gegeben hat.


Assigment: Earth


Neben Star Trek hatte Gene Roddenberry weitere Ideen, u. a. eine Spionageserie um einen weiterentwickelten Menschen, der wohlwollend die Entwicklung der Erde beobachtet und unterstützt. Als Star Trek seine Zuschauerquoten sinken sah, baute Roddenberry einen back-door-Pilot für eine neue Serie ein. Ein anderer Zweck dient die Folge nicht. 


Die Enterprise nutzt absichtlich den aus morgen ist gestern bekannten Schleudereffekt, um einen ungeklärten historischen Zwischenfall zu untersuchen. Obwohl es sich hier eindeutig um eine Zeitreise handelt, ist die Folge für uns wenig relevant, da die Zeitreisende es schaffen, neutrale Beobachter zu bleiben und nicht einzugreifen.


TAS : Yesteryear


Interessanter hingegen ist die Folge Yesteryear aus der animated Serie. Wir erfahren, dass die Enterprise-Crew mit Historikern und den Hüter der Ewigkeit zusammenarbeitet. Als Kirk und Spock aus der orionischen Vergangenheit zurückkehren, erinnert sich niemand an dem Vulkanier. Er wurde niemals Teil der Sternenflotte, da er als Kind den Tod fand. Spock erinnert sich daran, von seinem zukünftigen Ich gerettet worden zu sein, woraufhin er in die Vergangenheit reist, um den Lauf seines Lebens wiederherzustellen. (Man fragt sich, wo Michael Burnham und Sybock waren.)


Die Folge bietet einen interessanten Ansatz: statt eine Zeitschleife zu brechen, geht es darum eine zu erschaffen. Wir befinden uns in dieser Episode definitiv in einer determinierten Zeitlinie. Der Zeitreisende muss in die Vergangenheit reisen, damit die Geschichte wie ursprünglich verlaufen kann. Hier bricht die Serie zum ersten Mal mit der vorher gezeigten temporalen Mechanik, aber wir sollten nicht vergessen, dass The animated Serie nicht Kanon ist.


Star Trek IV: The Voyage Home


Obwohl Star Trek IV ein meiner Lieblings-Star-Trek-Filme ist, ist der im Hinblick auf unsere Frage wie konsequent Zeitreisen geschrieben sind, fast genauso irrelevant wie Assigment: Earth, da keine Konsequenzen gezeigt werden. Eine fremde Sonde fliegt auf die Erde zu und verursacht verehrende Schaden. Kirk und Spock erkennen, dass sie versucht, mit Buckelwalen in Kontakt zu treten. Da die Spezies im 23. Jahrhundert ausgestorben ist, reisen sie in die 1980er-Jahre zurück um zwei Walen zu holen, die der Sonde antworten können. 


Der Film ist zumindest insofern konsequent, dass ein ähnliches Verständnis der Zeit vermittelt wird, wie in Tomorrow is yesterday. Nicht jedes Ereignis ist gleich wichtig. Gillian Taylors Tribut zu Geschichte muss ähnlich gering ausfallen wie der von Captain Christopher, hätte er keinen Sohn bekommen. Immerhin hat die Zukunft sie nicht vermisst. Und wer das transparente Aluminium erfunden hat, ist wohl auch egal.


Fazit


Zeitreisegeschichte sind immer komplex und selten frei von Widersprüche. In der TOS-Ära klingt die Physik hinter den Zeitreisen wenig glaubhaft, aber es passt zum retrofuturistischen Charme der Serie. Wir können trotzdem festhalten, dass die Zeit bis jetzt dynamisch beschrieben wird, wenn man The animated Serie ausklammert. Es gibt zwar Hinweise auf ein Multiversum in City on the Edge of Tomorrow, allerdings nichts Eindeutiges. 


Nächsten #SciFreitag geht diese Analyse mit den Abenteuern der nächsten Generation weiter. Bis dahin, bleibt gesund und habt ein schönes Wochenende.

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