Das Vermächtnis des USS Cousteau

 Diese Geschichte wurde am 25.04.2021 von Benjamin Stöwe in der YouTube-Sendung 1701Live vorgelesen. 

(Ab 01:23:00) 


Chronologische Einordnung: 
Diese Geschichte spielt unmittelbar nach den Ereignissen aus Star Trek IV - Zurück in die Gegenwart. 


Gillian Taylor war jedes Mal enttäuscht, wenn sie die Schiffsbibliothek der USS Cousteau betrat. Statt alter staubiger Bücher befanden sich dort nur ein paar Computer, von denen aus sie auf die Archive der Föderation zugreifen konnte. Jede Oberfläche glänzte vor Sauberkeit, was ihrer Definition einer Bibliothek widersprach. Das Wissen musste riechen und staubig sein. Nichts war angenehmer als der Geruch eines alten Buchs. 
Eine Woche zuvor hatte sie sich in den Transporterstrahl von Admiral Kirk geworfen und so dem zwanzigsten Jahrhundert den Rücken gekehrt. Es war seitdem so viel geschehen: das Prozess der Enterprise-Crew und gleich danach, ihre Ankunft auf der Cousteau, einem riesigen Wissenschaftsschiff der Crossfield-Klasse. Seit drei Tage holte sie die verlorene Zeit in der Bibliothek nach und brachte in Erfahrung, welche wichtigen Ereignisse sie verpasst hatte. Sie war schon froh, dass sie die eugenischen Kriege der neunziger Jahre oder den dritten Weltkrieg übersprungen hatte, aber den ersten Kontakt mit den Vulkaniern und die daraus folgende goldene Zeit hätte sie gerne miterlebt. 
»Miss Taylor, könnten sie bitte in den Besprechungsraum kommen?«
Der Captain. Gillian hatte ihn noch nie getroffen, aber schon einiges über ihn gehört. Sie wusste, dass er Tobias Wright hieß und dass er halb Mensch, halb außerirdisch war. Xaheisch, oder so ähnlich. 
»Computer, wo ist der Besprechungsraum?«
Die künstliche Stimme lotste Gillian Schritt für Schritt zur Kommandobrücke. Dort deutete einer der Offiziere auf eine Tür an der rechten Seite. Nervös betrat sie den abgedunkelten Raum. Drei Personen in schwarz roter Uniform mit weißem Rollkragen saßen um einen rechteckigen Tisch. Sie hatte Freena Kanuwe, die afrikanische erste Offizierin, bereits kennengelernt. Rechts von ihr war eine rundliche blonde Frau mit blauer Haut. Auf der anderen Seite saß Captain Wright. Er sah tatsächlich aus wie ein Mensch, wären da nicht diese dezenten hellen Streifen auf seinem Gesicht. Eine vierte Person mit einem weißen kurzärmeligen Overall stand vor einem flachen Fernsehbildschirm. 
»Miss Taylor, bitte setzen sie sich.« forderte der Captain sie auf. »Wir haben etwas entdeckt, das sie interessieren könnte. Bitte Doktor, fahren sie fort.«
Der Wissenschaftler wartete, dass Gillian sich hingesetzt hatte und nahm seine Präsentation wieder auf. Auf dem Bildschirm rotierte ein blauer Planet. 
»Wie bereits erwähnt ist die Oberfläche von Caltrus VI zu 98 Prozent von einem einzigen Ozean bedeckt. Wir haben mehrere Unterwassersonden geschickt, und sie haben interessante Bilder gesendet.«
Er drückte auf seinem Pad und Aufnahmen aus dem Ozean erschienen. Zunächst erkannte Gillian nicht das Geringste, doch plötzlich trat ein riesiges Geschöpf ins Bild. 
»Ist das ein Wal?« fragte sie. 
Der zivile Wissenschaftler nickte.
»Es gibt eine große Übereinstimmung zu den beiden Exemplaren, die Sie aus dem zwanzigsten Jahrhundert mitgebracht haben.«
»Niemand kennt sich mit Walen besser aus als Sie, fügte der Captain hinzu. Ich wünsche, dass Sie sich dem Forschungsteam anschließen. Ich möchte wissen, inwiefern diese Wale sich von Ihren unterscheiden.«
Das interne Kommunikationssystem unterbrach ihn.
»Captain Wright bitte auf die Brücke.« 
Der oberste Befehlshaber der Cousteau stand auf und begab sich auf die dem Besprechungsraum angrenzende Brücke.    
»Die Sensoren haben ein nicht identifiziertes Objekt registriert, das sich unserer Position nähert.« informierte ihn sein Stellvertreter.
»Auf den Schirm.«
Die Dunkelheit des Weltraums tauchte plötzlich auf der vorderen Wand der Brücke auf. Nichts war zu sehen.
»Vergrößerung« befahl der Captain.
Ein großer metallischer Zylinder war im Zentrum des Bildschirms zu erkennen. Eine weiße Sphäre stieg langsam in einem Lichtkorridor herunter. Wright erkannte sofort, worum es sich dabei handelte. 
»Roter Alarm. Können Sie seinen Kurs extrapolieren?«
»Es kommt direkt auf uns zu.« 
Der Captain drehte sich zu der Kommunikationsoffizierin.
»Mister Goodwin, kontaktieren Sie die Sternenflotte. Sagen Sie, dass die Walsonde auf Caltrus VI zusteuert.« 
Und ohne Atempause befahl er dem Pilot:
»Mister Graves, Warp 5. Los!« 
Der Befehl kam eine halbe Sekunde zu spät. Die Sonde hatte begonnen, ihre Nachricht für die Wale zu übermitteln, in Folge dessen die Energiereserven der Cousteau drastisch sanken. Der Warpantrieb fiel aus und alle Bildschirme flackerten.
»Commander Kanuwe, haben sie irgendwelche Vorschläge?« 
»Sir, mit allem Respekt, die Situation unterscheidet sich vom Vorfall auf der Erde.« 
»Inwiefern?«
»Alles deutet darauf, dass die Schäden, die die Sonde verursacht, unbeabsichtigt sind. Sie wartet auf eine Antwort der Wale. Auf der Erde waren sie ausgestorben, deswegen dauerte der Energieausfall länger an. Es sind aber Wale auf Caltrus VI, wir haben sie selbst gesehen. Sobald sie antworten, wird sich die Sonde zurückziehen. Ich empfehle Ihnen, die gesamte restliche Energie auf die Lebenserhaltungssysteme umzuleiten und zu warten.«
»Sie haben die Dame gehört. Los !« Dann fügte er zu seinem ersten Offizier hinzu: »Ich hoffe, sie haben recht. Wir sind blind wie ein Maulwurf.«
Freena Kanuwe sollte recht behalten. Ein paar Minuten später fuhren alle Systeme wieder hoch, als ob nichts passiert wäre.
* * *
Nach einer kompletten Analyse der Daten aus dem Planeten gab es für Gillian keine Zweifel mehr. Die Wale auf Caltrus VI waren identisch mit den Buckelwalen auf der Erde. Allerdings schien keiner auf der Cousteau zu verstehen, wie dieselbe Spezies sich auf zwei verschiedene Planeten parallel hatte entwickeln können. Als sie das Ergebnis ihres Vergleichs dem Captain präsentierte, war auch er ratlos. 
»Womöglich ist die Sonde der Schlüssel, um das Mysterium zu lösen.« dachte er laut.
Er drückte einen Knopf auf der vor ihm liegenden Konsole und rief den Navigator. 
»Mister Graves, wo befindet sich die Sonde jetzt?«
»Sie ist vor einer Stunde in die neutrale Zone eingedrungen.« 
»Bringen Sie uns an die Grenze der neutralen Zone. Warp 2. Los!«
»Aye Sir.« 
Keine zehn Minuten später erreichten sie das Ziel. Eine Offizierin, deren Namen Gillian noch nicht in Erfahrung gebracht hatte, meldete sich. 
»Sir, drei klingonische Birds of Prey enttarnen sich direkt vor der Sonde.«
»Mist, wenn sie sie zerstören, haben wir gar nichts mehr. Mister Goodwin, können wir die Klingonen rufen?« 
»Sie sind außer Reichweite, Sir.«
Tobias Wright war in der Sternenflotte dafür bekannt, dass er gerne sein wissenschaftliches Interesse über Regeln und Vorschriften stellte. Diese Sonde konnte die Theorien über die Entstehung des Lebens im Universum widerlegen. Er konnte nicht zulassen, dass sie zerstört wurde.
»Mister Goodwin, Grußfrequenz. Versuchen Sie weiter die Klingonen zu kontaktieren. Mister Graves, nehmen Sie Kurs auf die Sonde. Warp 3. Los!«
Der Pilot war offensichtlich nicht begeistert, diesem Befehl Folge zu leisten. Trotzdem entgegnete er:
»Aye, Sir.«
Freena hatte nicht dieselbe Zurückhaltung. 
»Sir, Sie verletzen den Friedensvertrag von Organia.«
»Glauben Sie mir Commander, es ist mir durchaus bewusst.« 
Die Cousteau verließ den Warpkanal direkt hinter der Sonde. 
»Captain« sagte Goodwin »die Klingonen antworten.«
»Auf den Schirm.«
Das Gesicht des feindlichen Kommandanten füllte das überdimensionierte Display, was ihn noch beeindruckender aussehen ließ, als er ohnehin schon war.
»Hier spricht Kommandant Kha‘al. Eure Anwesenheit ist ein kriegerischer Akt.«
»Wir kommen in Frieden« sagte Wright. »Ich kann Ihnen versichern, dass wir keine feindliche Absicht hegen. Wenn Sie es mir erlauben, würde ich gerne erläutern, warum wir hier sind.«
»Ihre Ausrede interessieren mich nicht. Kehren sie zu ihrer Föderation zurück. Ich werde es nicht wiederholen.«
»Bitte, wir haben ein höchstes wissenschaftliches Interesse an dieses Artefakt. Es könnte alles infrage stellen, was wir über das Leben im Universum zu wissen glauben.«
Der Klingone überlegte ein paar Sekunden lang und brach schließlich in Lachen aus. Dann drehte er sich zu seiner rechten Seite und sagte:
»BaH !«
Mit ihren jeweils zwei Disruptorkanonen feuerten die drei Birds of Prey auf die Sonde, woraufhin diese explodierte. Gillian, die sich auf der Brücke der Cousteau bis dahin unauffällig verhalten hatte, stieß einen kurzen schrillen Schrei aus. Die anderen Offiziere waren nicht weniger überrascht, denn anstatt von metallischen Trümmern trieb nur eine glitschige Substanz in der Leere des Alls. Der klingonische Anführer stand immer noch auf dem Bildschirm und, nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte er so was auch nicht erwartet. 
»Diese Sonde wurde als Feind des Imperiums eingestuft« fuhr er fort. »Nehmen sie sich, was sie brauchen und verschwinden sie.«
Kha‘al ließ den Captain der Cousteau nicht ausreden. Er kappte die Kommunikation und die Birds of Prey tarnten sich wieder. 
»Captain, ich registriere Lebensformen unter den... Trümmern.« sagte Goodwin.
»Richten sie einen Quarantänefeld in Labor drei ein und beamen Sie so viel der Substanz wie möglich dorthin. Mister Graves, kürzesten Weg aus der neutralen Zone. Los !«
* * *
Die Chefärztin der Cousteau, Doktor Fraxx, ließ alles liegen und begab sich ins Labor Nummer drei. Die Bolianerin hatte schon viele seltsame Dinge im Laufe ihrer Karriere gesehen, aber nichts war mit dem vergleichbar, was sie dort erwartete. In einem großen Behälter änderte sich stets der Zustand der Substanz. Sie schien flüssig zu sein, aber versuchte ständig zu erstarren oder zu verdampfen. Mit der Zeit gelang es dem Wesen die Form immer länger zu halten. Zunächst ahmte es einfache Strukturen nach, dann komplexere. Irgendwann war es in der Lage, unizelluläre Lebensformen zu imitieren, und schließlich, nach ein paar Wochen, konnte es eine humanoide Gestalt annehmen. Es schaffte es nicht, ein überzeugendes Gesicht abzuliefern, aber die Haare, die Hautfarbe und die Uniform sahen schon gut aus. Mit blauer Haut und blonder Frisur war die Ähnlichkeit zu der Ärztin nicht zu übersehen. Und mithilfe des Universalübersetzers dauerte es nicht lang, bis es seine Lebensgeschichte erzählen konnte.
»Wir sind Forscher und bereisen das Universum. Wir fliegen von Planet zu Planet und bringen in Erfahrung, welche Veränderungen seit unserem letzten Besuch vorgefallen sind.«
Um den Tisch im Besprechungsraum saßen Captain Wright, Freena Kanuwe, Gillian Taylor, Doktor Fraxx und das Wesen, das sich bis jetzt noch keinen Namen gegeben hatte.
»Was ist passiert, als die Sonde explodierte? Woran erinnerst du dich?« fragte Doktor Fraxx.
»Wir waren die Sonde. Wir nehmen diese Form an, um im Weltraum zu reisen und um mit den Walen zu kommunizieren. Sie dient sozusagen als Resonanzkörper. Normalerweise können uns Waffen nichts anhaben, aber diese hatten eine Frequenz, die unsere biologische Integrität destabilisierte.«
»Und bist du jetzt allein? Oder seid ihr mehrere und ihr teilt euch diesen einen Körper?«
»Ja und nein.«
Zur Veranschaulichung seiner Erklärung nahm das Wesen die Karaffe Wasser, die auf dem Tisch stand.
»Wir leben in der Großen Verbindung. Das ist ein flüssiger Zustand, in dem alle ständig mit den anderen vereint sind. Es kommt vor, dass einer von uns die Verbindung verlässt.«
Es goss Wasser in ein Glas.
»Wenn er zurückkommt, ist er wie ein Tropfen im Ozean. Er ist nicht weg, er ist ein Teil des Wassers.«
Gillian unterbrach es.
»Sie meinen, dass Sie neu sind? Es gab Sie vorher nicht?«
»Das ist korrekt. Ich bin der einzige Überlebende der Große Verbindung. Alle haben ihre restliche Lebensenergie konzentriert und daraus bin ich entstanden.«
Freena Kanuwe wechselte das Thema.
»Warum ist es so wichtig für Sie, mit den Walen zu kommunizieren? Was für eine Rolle spielen sie?«
»Wir haben sie genetisch gezüchtet und überall in der Galaxie verteilt. Sie zeichnen alles auf, was auf den Planeten passiert. Eine Generation gibt ihr Wissen an die nächste, und wenn wir zurückkommen, berichten sie uns, wie das Leben sich entwickelt hat.«
»Aber warum ist Ihre Kommunikation so gefährlich für uns?« hakte sie nach. »Sie hätten fast unsere Zivilisation auf der Erde vernichtet.«
»Es war nie unsere Absicht, irgendjemand zu schaden. Als wir die Wale gezüchtet haben, beherrschten in diesem Sektor nur wenige Spezies das Reisen im All. Uns waren diese Auswirkungen nicht bewusst. Andererseits war unsere Kommunikation nur gefährlich, weil Ihre Zivilisation unsere Tiere ausgerottet hat. Aufgrund des Berichts der Wale haben wir Sie als eine aggressive Spezies eingestuft, allerdings fehlen dreihundert Jahren in der Dokumentation. Sie sind durch die Zeit gereist, um die Art zu retten. Womöglich haben Sie sich inzwischen positiv verändert. Außerdem…« Das Wesen hielt inne und suchte den Blickkontakt mit Gillian Taylor. »Georges und Gracie haben Ihnen vertraut, und deswegen tun wir es auch. Bitte, wir brauchen Ihre Hilfe.«
»Wobei?« wollte der Captain wissen.
»Wir haben kein Zuhause. Wir haben unseren Planeten vor Millionen von Jahren verlassen. Nichts erwartet uns dort. Allerdings hat sich vor ein- oder zweitausend Jahren ein Teil unseres Volkes abgespalten. Nachdem ein fremdes Schiff uns angriff und verheerende Schäden anrichtete, trennten sich unsere Wege. Sie versteckten sich in einem Nebel und wollten mit den Solids nichts mehr zu tun haben. Nun, wenn sie noch leben, sind sie alles, was von unserer Zivilisation noch übrig ist. Ich kann nicht allein durch den Weltraum reisen. Würden sie mich dorthin bringen?«
»Wo soll dieser Nebel sein?«
Das Wesen ließ seinen Arm verflüssigen und zu einem duotronischen Chip werden, den er von seinem Körper trennte und in den Schlitz auf dem Tisch steckte. Auf dem Hauptbildschirm erschien eine Karte der Galaxie. In dem oberen linken Viertel leuchtete ein roter Punkt.
»Das liegt weit im Gammaquadrant« warf Freena Kanuwe ein. »Es würde Jahrzehnte dauern, dorthin zu gelangen.«
Das Wesen schwieg. Mit seiner neu gewachsenen Hand tippte er auf dem Display. Weitere Punkte, blau diesmal, tauchten auf der Karte auf.
»Auf diesen Planeten haben wir Wale stationiert. Mit meiner Hilfe können Sie sie kontaktieren und Daten sammeln, die Sie sonst nie zu Gesicht bekommen hätten.«
»Das ändert nichts daran, dass wir dieses Ziel nicht erreichen können.«
»Es wäre eine Reise ohne Wiederkehr« flüsterte Tobias Wright nachdenklich.
»Sir, mit allem Respekt« antwortete der erste Offizier empört, »Sie können diesen Vorschlag nicht ernsthaft in Betracht ziehen.«
»Ich muss auf jeden Fall darüber nachdenken.«
»Sir, die Sternenflotte wird eine solche Mission niemals genehmigen. Es wäre eine Verletzung der obersten Direktive. Wir dürfen uns in die Entwicklung dieser Kultur nicht einmischen. Außerdem ist die Cousteau nicht die Enterprise. Wir sind nicht ausgerüstet für eine Fünf-jahres-Mission, geschweige für eine lebenslange Reise in den Gammaquadrant.«
»Sie haben Recht, Commander: die Sternenflotte würde das niemals genehmigen.«
* * *
So wie der Rest der Crew hörte Gillian die Ansprache des Captains zwei Stunden später über das interne Kommunikationssystem des Schiffes.
»Captain Wright an die gesamte Besatzung. Es ist für uns alle ein historischer Tag. Heute können wir den Lauf der Geschichte für immer verändern. Die USS Cousteau ist ein Wissenschaftsschiff und ich, als ihr Kommandant, habe mich der Forschung voll und ganz verschrieben. Ich weiß, dass es vielen von Ihnen ebenso geht. Selbst im 23. Jahrhundert sind unsere Kenntnisse über das Universum nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt so viele Fragen, die weiterhin unbeantwortet sind. Das kann sich aber heute ändern. Wir haben einen Verbündeten gefunden, der bereit ist, einen unvorstellbaren Schatz an Informationen mit uns zu teilen. Im Gegenzug sollen wir ihn nach Hause bringen, zu einem Planeten im Gammaquadrant.«
Um sich herum nahm Gillian überraschte Gesichter und Empörung wahr. Verständlicherweise. Das, was Tobias Wright ihnen gerade vorschlug, war nichts anderes als Meuterei oder Desertion. Sie dachte unfreiwillig an Admiral Kirks Anhörung. Auch er hatte für ein höheres Ziel ein Schiff gekapert. Letztendlich war es für ihn gut gegangen — Er wurde nur zum Captain degradiert — aber was wäre wohl passiert, wenn er nicht zufälligerweise die Welt gerettet hätte?
»Die oberste Direktive verbietet mir, unserem Freund zu helfen. Dennoch bin ich überzeugt, dass dies das Richtige ist. Er ist der letzte seiner Art, und ohne unsere Unterstützung wird er sterben, und das Wissen seines Volkes mit ihm. Ich kann das nicht zulassen. Wir stehen vor einer Mission, die größer ist als die Sternenflotte oder die Föderation. Es ist in erster Linie eine Rettungsmission, aber darüber hinaus haben wir hier und jetzt die Möglichkeit, mehr Daten über die Galaxie zu sammeln als in den letzten hundert Jahren. Auf unzähligen Welten zwischen uns und dem Gamma Quadrant sind Kreaturen, die die gesamte Entwicklung ihres jeweiligen Planeten gespeichert haben. Stellen sie sich vor, von welchem Nutzen solche Informationen für die zukünftigen Generationen sein könnten. Wir können erfahren, welche brillanten Ideen andere Zivilisationen vor uns hatten, aber auch welche Fehler sie begangen haben. Wir werden in Bereiche der Galaxie vordringen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist, und alles genau dokumentieren. Wir werden eine Bibliothek erbauen, das Vermächtnis der USS Cousteau.«
Er setzte eine künstlerische Pause ein, um die Ernsthaftigkeit seiner Worte zu unterstreichen, dann fuhr er fort.
»Ich bin bereit, mein Leben und meine Karriere für diese Mission zu opfern, aber ich kann und will Ihnen nicht befehlen, das Gleiche zu tun. Jeder, der sich mir anschließen will, ist herzlich willkommen und soll sich um 1900 im Frachtraum sechs einfinden. Die Anderen werden in der Nähe der K-7-Station evakuiert. Von dort aus werdet ihr zum Föderationshauptquartier zurückgebracht. Wir werden unsere Warpsignatur maskieren und Kurs auf den Gammaquadrant setzen. Ich kann nicht versprechen, dass wir jemals von dieser Reise zurückkehren, aber die Cousteau und ihre Besatzung werden in die Geschichte eingehen. Ich zähle auf Sie. Wright, Ende.«
Gillian konnte Tobias Wright verstehen. Sie hatte aus ihrer Zeit die gesunde Skepsis gegenüber dem Militär mitgenommen und befürwortete die Unabhängigkeit der Wissenschaft. Der Captain sah in diesem Unternehmen eine einmalige Gelegenheit, und er hatte Recht, sie zu ergreifen. Zum Teufel mit der Sternenflotte. Doch trotz der Sympathie, die sie für ihn empfand, war sie nicht sicher, ob sie sich diesem neuen Abenteuer anschließen sollte oder nicht. Sie war gekommen, um ihre zwei Wale Georges und Gracie in die Zukunft zu begleiten. War sie bereit, sie ihrem Schicksal auf der Erde zu überlassen? Andererseits, bei dieser Reise sollte sie jeder Menge Walen begegnen. Konnte Captain Wright auf ihre Expertise verzichten? Immerhin war sie der einzige Mensch weit und breit, der Erfahrungen mit diesen Geschöpfen hatte. Sie hätte gern mit Captain Kirk oder mit Mister Spock darüber gesprochen. Sie waren die ersten Personen aus dem dreiundzwanzigsten Jahrhundert, die sie kennengelernt hatte. Genau genommen waren sie ihre einzigen Freunde hier. Aber würden sie sich jemals wiedersehen, auch wenn sie in der Nähe bleiben würde? Nein. Sie musste nach vorne blicken. Ihr ganzes Leben hatte sie den Walen gewidmet, und sie könnte auf der Cousteau noch so viel über sie lernen. Georges und Gracie waren in Sicherheit auf der Erde, sie brauchten sie nicht mehr. 
Eigentlich hatte sie sich längst entschieden: Die letzten historischen Ereignisse hatte sie verpasst, bei diesem wollte sie in der ersten Reihe sein. Angetrieben durch die gleiche Neugier und Abenteuerlust, die sie in die Zukunft geschleudert hatte, begab sie sich in den Frachtraum sechs. Es war kurz vor 1900. Auf dem Weg fragte sie sich, wie viele Personen nötig waren, um ein solches Raumschiff zu fliegen. Würden sich genügend Leute melden? Beim Betreten des Raumes stellte sie fest, dass ihre Sorgen unbegründet waren. Mindestens hundert Personen warteten. Freena Kanuwe war anscheinend nicht dabei. Schade. Sie verstand sich gut mit der ersten Offizierin, aber sie hatte ihre Missbilligung deutlich zum Ausdruck gebracht. Als Tobias Wright kurz darauf eintraf, wurde er mit tosendem Applaus empfangen. Sichtlich berührt sagte er nur:
»Ich danke Ihnen allen.« 
Als er seinen Navigator unter den Freiwilligen entdeckte, lächelte er.
»Mister Graves, auf Ihren Post. Setzen sie einen Kurs nach K-7. Warp 3. Los!«


(Dies ist eine nicht-kommerzielle Kurzgeschichte, die im Star-trek-Universum spielt. Die Marke gehört Paramount und CBS) 

Kommentare